Grundsätzlich waren viele Mitgliedstaaten mit den Verhandlungsergebnissen zur Gasnotfall-VO und Genehmigungsnotfall-VO einverstanden, wünschten sich aber eine Paketlösung gemeinsam mit dem erst am 22. November 2022 von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Korrekturmechanismus für Gas und widersetzten sich damit einer politischen Einigung. Andere Mitgliedstaaten sprachen sich ebenso wie Deutschland gegen eine Verknüpfung der drei Verordnungen aus, um ein Signal der Solidarität auszusenden. Letztere konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Beim Verordnungsvorschlag zum Korrekturmechanismus für Gas bestanden noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Während beispielsweise die Niederlande bei einem möglichen Inkrafttreten Versorgungsengpässe befürchtete, sah etwa Spanien den Preis als zu hoch angesetzt an. Deshalb hat sich der Energierat darauf verständigt, den Vorschlag zur Ratsverordnung für einen Marktkorrekturmechanismus mit dem Ziel weiter zu verhandeln, beim nächsten Sonder-Energierat im Dezember 2022 einen beschlussfähigen Text vorzulegen.
Im Rahmen der Gasnotfall-Verordnung hat sich der Energierat auf ein ganzes Maßnahmenpaket verständigt: Mit den neuen Vorschriften für die gemeinsame Beschaffung wird es den Mitgliedstaaten und Energieunternehmen ermöglicht, Gas auf den Weltmärkten gemeinsam zu kaufen. Durch die Bündelung der Nachfrage auf EU-Ebene soll sichergestellt werden, dass die EU-Mitgliedstaaten bei der Beschaffung von Gas auf den Weltmärkten eine größere Hebelwirkung haben und sich dabei nicht gegenseitig überbieten. Konkret haben sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt, dass Gasunternehmen und Unternehmen, die in der EU und in den Ländern der Energiegemeinschaft Gas verbrauchen, ihren Gaseinfuhrbedarf mitteilen. Die EU wird einen Dienstleister mit der Berechnung der gebündelten Nachfrage beauftragen und nach Angeboten auf den Weltmärkten suchen, um die Gesamtnachfrage zu decken. Spätestens bis zum 31. März 2023 soll durch die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) ein neuer ergänzender Preis-Richtwert entwickelt werden, der stabile und vorhersehbare Preise für LNG-Transaktionen (Flüssiggas – Liquified Natural Gas) ermöglicht. Der neue Richtwert soll den Preis von LNG-Transaktionen in der EU genauer wiedergeben als die Title Transfer Facility (TTF), dem bisher einzigen Referenzwert der EU zur Festlegung des Gaspreises in Europa. Durch neue Solidaritätsmaßnahmen können die Mitgliedstaaten für den Fall von Gasversorgungsengpässen den nicht wesentlichen Gasverbrauch geschützter Kunden senken und andere Mitgliedstaaten um Unterstützung bei der Energieversorgung ersuchen.
Der zweite Verordnungsentwurf, zu dem eine Einigung erzielt wurde, ist die sogenannte Genehmigungsnotfall-Verordnung. Sie zielt darauf ab, den Einsatz erneuerbarer Energien durch Erleichterung und Beschleunigung der Verfahren zur Erteilung der erforderlichen Genehmigungen für ihre Installation zu erleichtern und zu beschleunigen. Gemäß der erzielten Einigung wird bei Projekten für erneuerbare Energien davon ausgegangen, dass sie im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen, sodass sie von einer vereinfachten Prüfung profitieren können, die in spezifischen EU-Vorschriften enthalten sind. Die Grundsätze dieser Regelungen werden zwar beibehalten, die Mitgliedstaaten haben aber die Möglichkeit, die Anwendung auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets, bestimmte Arten von Technologien oder bestimmte Projekte zu beschränken. Der Kompromiss stellt auch klar, dass dieses Verfahren nicht nur die Genehmigungsverfahren für künftige Projekte betrifft, sondern auch für laufende.
Für den 13. Dezember 2022 ist eine weitere Sondersitzung des Rates Energie vorgesehen, um sich auf ein Gesamtpaket mit allen drei Ratsverordnungen zu verständigen. Die Sitzung der Energieministerinnen und –minister soll die endgültige Entscheidung für den Europäischen Rat am 15./16. Dezember 2022 vorbereiten. Sofern die Verordnungen vom Rat beschlossen werden, können sie bereits Anfang 2023 in Kraft treten. (UV)