Auf dem Treffen der Eurogruppe am 15. Mai 2023 stellte die Europäische Kommission (KOM) ihre Frühjahrsprognose vor. Diese Prognose zeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der EU trotz der spannungsgeladenen weltweiten Entwicklungen nach wie vor stabil ist und die europäische Wirtschaft sich als äußerst widerstandsfähig zeigt. So steigt der Wachstumsausblick für die EU-Wirtschaft entsprechend für das Jahr 2023 auf 1,0 Prozent (in der Winterzwischenprognose waren es noch 0,8 Prozent). Für das Jahr 2024 wird mit 1,7 Prozent Wachstum gerechnet. Auch die Beschäftigungszahlen befindet sich auf einem guten Niveau. Dennoch wurde deutlich, dass die Unternehmen stark unter den hohen Energiepreisen leiden und die Inflation ebenfalls auf einem Niveau verharrt, das von dem mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent weit entfernt ist. So erreichte die Kerninflation (d. h. die Gesamtinflation ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel) im März mit 7,6 Prozent einen historischen Höchststand.
Des Weiteren diskutierten die Mitglieder der Eurogruppe über die Herausforderungen des Unternehmenssektors im internationalen Umfeld. Dabei kamen insbesondere die hohen Energiepreise zur Sprache, die auch die Unternehmen belasten. Es wurde aber auch hervorgehoben, dass einige Unternehmen in der aktuellen Situation wirtschaftliche Prosperität erfahren. Ferner erwähnten die Mitglieder, dass die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für den Unternehmenssektor nicht über einen langen Zeitraum gezahlt werden können. Vor diesem Hintergrund sei es Aufgabe der Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die ergriffenen Unterstützungsmaßnahmen mit den Zielen des grünen Übergangs in Einklang stehen und nicht zu einer Fragmentierung des Binnenmarktes führen.
Ebenfalls tauschten sich die Fachministerinnen und -minister zur Bankenunion sowie zu digitalen Zentralbankwährungen aus. Hierbei wurde auch der Sachstand zum digitalen Euro thematisiert. In diesem Zusammenhang stellten der Vorsitzende des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SSM), Andre Enria, und der Vorsitzende des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung, Dominique Laboureix, den halbjährlichen Bericht über die Bankenaufsicht vor. Die schwedische Ratspräsidentschaft präsentierte ihr Projekt über die schwedische E-Krone.
Auch konnten sich die Mitglieder der Eurogruppe über einen Zeitplan für weitere Vorschläge zur Vertiefung der Kapitalmarktunion einigen. Bis März 2024 sollen die neuen Ideen entwickelt und vorgelegt werden. In den anstehenden Diskussionen wird es daher um die Identifizierung von Bereichen gehen, in denen in den kommenden Jahren weitere Fortschritte möglich und wahrscheinlich sind, um das Wachstum in der EU besser zu finanzieren.
Die Pressemitteilung zur Eurogruppe finden Sie hier.
In der Sitzung des ECOFIN-Rates am 16. Mai 2023 konnten sich die europäischen Finanzministerinnen und -minister auf eine allgemeine Ausrichtung (Standpunkt des Rates der EU im Vorfeld einer verbindlichen Entscheidung über das Gesetzesvorhaben) zur Änderung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung einigen. Diese sog. DAC-8-Richtlinie soll insbesondere den automatischen Informationsaustausch über Einnahmen aus Geschäften mit Kryptowerten sicherstellen und auch die verschiedenen europäischen Steuerbehörden über sog. Steuervorbescheide (bereits vor dem Besteuerungsverfahren zu klärende steuerlich relevante Sachverhalte) für wohlhabende Einzelpersonen in Kenntnis setzen.
Ebenfalls stellte die KOM ihre am 18. April 2023 veröffentlichten Vorschläge für ein besseres Krisenmanagement bei mittleren und kleineren Banken vor (CMDI-Paket = Reform of the crisis management and deposit insurance framework). Diese umfassen u.a. die Überarbeitung von Sanierungs- und Abwicklungsinstrumenten (BRRD-RL = Bank Recovery and Resolution Directive), des einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM = Single Resolution Mechanism) sowie die Regelungen über die Einlagensicherung. Die Europäische Kommission sieht ein Bedürfnis nach neuen Regelungen aufgrund der Erfahrung, dass mittelgroße und kleinere Banken bei Ausfall nicht abgewickelt werden, sondern häufig mit Steuermitteln unterstützt werden. Durch die neuen Vorschriften will die KOM die Gläubigerbeteiligung in den Fokus rücken.
Ebenfalls sprachen die Ministerinnen und Minister über die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Dabei informierte die KOM über die wirtschaftlichen Auswirkungen der bislang verabschiedeten zehn Sanktionspakete. Zur Sprache kam auch die Erkenntnis, dass Sanktionen zugunsten Russlands durch Drittstaaten umgangen werden.
Im Rahmen des Europäischen Semesterprozesses nahm der ECOFIN-Rat seine von den Staats- und Regierungschefs im März 2023 gebilligten Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euroraums ohne weitere Aussprache an. Der Europäische Semesterprozess dient der Vereinheitlichung der jährlichen Koordinierung der Wirtschafts-, Haushalts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik in der EU und hält auch Einzelempfehlungen für die Mitgliedstaaten bereit.
Am Rande des ECOFIN trafen sich Vertreter der Mitgliedstaaten, der westlichen Balkanländer und der Türkei, der KOM und der EZB sowie Vertreter der Zentralbanken der westlichen Balkanländer und der Türkei zu ihrem jährlichen wirtschaftspolitischen Dialog. Ziel des Dialogs ist es, die künftige Teilnahme der westlichen Balkanländer und der Türkei am Europäischen Semester vorzubereiten. In einer gemeinsamen Erklärung bekundeten die Teilnehmenden, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die EU-Mitgliedstaaten, die westlichen Balkanländer und die Türkei vor große wirtschaftliche und soziale Herausforderungen stelle. Die Teilnehmenden waren sich auch einig, dass der wirtschaftspolitische Dialog von großer Bedeutung sei und ein gemeinsames Interesse daran bestehe, angemessene politische Antworten auch auf die jüngsten negativen Schocks zu finden. Die Teilnehmenden verurteilten die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine scharf.
Die Pressemitteilung des ECOFIN-Rates finden Sie hier. (AR)