Die von der slowenischen Ratspräsidentschaft vorbereiteten Schlussfolgerungen zur EU-Kinderrechtestrategie, die die Kommission im März 2021 veröffentlicht hatte, wurden kontrovers diskutiert. Der geplanten Text deckte umfassend die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Schutz der Kinderrechte ab, wie die Bekämpfung von Diskriminierung, die Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, die Stärkung einer kinderfreundlichen Justiz und den Schutz der Kinder in der digitalen Gesellschaft. Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten konnte diesen Kompromisstext mittragen. Polen und Ungarn wollten den vorgeschlagenen Schlussfolgerungen allerding nicht zustimmen: Ungarn forderte, dass die Ratsschlussfolgerungen auch die nationalen Zuständigkeiten und Belange achten müssten und äußerte Bedenken gegen die Formulierung, mit der die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, u. a. die Geschlechterinklusivität der Kinder in der Schule zu achten. Polen kritisierte, dass die Strategie die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für das Familienrecht, den Grundsatz der Subsidiarität und die nationalen Besonderheiten verletze. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten drückte ihr Bedauern darüber aus, dass der vorliegende Kompromisstext keine Zustimmung gefunden hat.
Ergebnis der Orientierungsdebatte zur Untersuchungshaft war, dass die Mitgliedstaaten keine legislativen Maßnahmen der EU für erforderlich erachten. Wünschenswert seien dagegen Investitionen zur Verbesserung der Haftbedingungen auf Ebene der Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang wurden die Informationen der Kommission zu entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten mit EU-Mitteln als hilfreich angesehen. Als weitere Initiativen auf EU-Ebene wurden eine Fortsetzung des Praxisaustauschs sowie mehr Bewusstseinsbildung und Fortbildungsangebote zu EU-Instrumenten zur grenzüberschreitenden Überwachung und zur Durchsetzung alternativer Maßnahmen zur Haft vorgeschlagen. Von der Kommission wurde angekündigt, Ende 2022 eine Empfehlung zu den Verfahrensrechten von Beschuldigten in Untersuchungshaft mit gemeinsamen Leitlinien zur Untersuchungshaft und Haftbedingungen vorzulegen.
Zur Europäischen Staatsanwaltschaft, die ihre Arbeit am 1. Juli 2021 aufgenommen hatte, berichtete die slowenische Präsidentschaft über die bisherigen Entwicklungen. Es seien inzwischen mehr als 2000 Anzeigen eingegangen und 350 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Für die Europäische Generalstaatsanwältin Laura Kövesi belegt das den großen Mehrwert der Einrichtung und rechtfertigt ihre Forderung nach einer Aufstockung der Haushaltsmittel.
Während einer Pause wurden strategische Klagen gegen Journalistinnen und Journalisten (sogenannte SLAPP-Klagen; Strategic Lawsuit Against Public Participation) thematisiert. Exekutiv-Vizepräsidentin Jourová erläuterte eingangs die beabsichtigte Initiative der Kommission, wonach es sich um eine Kombination von legislativen und nicht legislativen Maßnahmen handele. Sie wies darauf hin, dass eine öffentliche Konsultation zu SLAPP-Klagen am 4.Oktober 2021 begonnen hat. Insgesamt teilte die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Meinung, dass die Presse-und Redefreiheit ein hohes Gut sei. Vorherrschend war allerdings die Analyse, dass lediglich vereinzelt Fälle von SLAPPs festzustellen seien und es sich nicht um ein häufig auftretendes Phänomen handele.
In Bezug auf die laufenden Gesetzgebungsverfahren informierte die Präsidentschaft insbesondere über die laufenden Trilogverhandlungen über die Verordnung zur grenzüberschreitenden Erhebung elektronischer Beweismittel. Hier plant die slowenische Präsidentschaft weiterhin, die teilweise sehr konträren Positionen zwischen Rat und Europäischem Parlament zusammenzubringen, um zu einer für die Strafrechtspraxis effektiven Lösung zu kommen. Zur e-CODEX Verordnung soll der Trilog so schnell wie möglich begonnen werden, sobald das Parlament seine Positionierung festgelegt habe. Zur Verordnung über die Drittwirkung der Forderungsabtretung bereitet die Präsidentschaft die Trilogverhandlungen vor und hofft auf zügige Verhandlungen, da die Positionen von Parlament und Rat in vielen wichtigen Aspekten nah beieinanderlägen. Mit dem Abschluss wird trotzdem erst im nächsten Halbjahr gerechnet.
Am Tag darauf kamen die europäischen Innenministerinnen und -minister zur turnusmäßigen Ratssitzung zusammen. Gegenstand der Beratungen waren u.a. die Screening-VO (Einholen von Informationen von Geflüchteten vor der Einreise in das EU-Gebiet und Inhaftnahme), die Situation in Afghanistan sowie die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen im Internet.
Die Vorschläge zur Screening-VO bilden aus Sicht der Mitgliedstaaten einen wichtigen Baustein im Asyl- und Migrationspakt. Die Einholung von Gesundheits- und Sicherheitsinformationen sind aus Sicht der Ministerinnen und Minister für die Sicherheit im Schengen-Raum von großer Bedeutung. Bislang konnten im Rahmen des Asyl- und Migrationspakt keine wesentlichen Durchbrüche verzeichnet werden. Die slowenische Ratspräsidentschaft versucht nunmehr, die Einzeldossiers fortzuentwickeln und hierüber die Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Position zu bewegen.
Zur Lage in Afghanistan nahmen die verschiedenen Dienststellen der Kommission Stellung. Aus dem Blickwinkel der Inneren Sicherheit stellte der Bericht des EU-Terrorismusbekämpfungskoordinators einen wichtigen Baustein zur Einschätzung der Lage dar. Der EU-Koordinator legte einen Bericht vor. Aus Sicht der handelnden Personen müsse vermeiden werden, dass Afghanistan zu einem sicheren Hafen für terroristische Aktivitäten wird. Hierzu müssten auch Finanzquellen der Taliban beobachtet werden. Weitergehend soll ein Protokoll zur Sicherheitsüberprüfung ausreisewilliger Personen erarbeitet werden.
Ebenfalls fand ein Orientierungsgespräch zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen im Internet statt. Um in diesem Bereich wirksam den Gefahren zu begegnen sind einerseits präventive Maßnahmen erforderlich; andererseits muss aber auch die Strafverfolgung verbessert werden. In diesem Zusammenhang sind auch der Ausbau bzw. die Anwendung künstlicher Intelligenz von außerordentlicher Wichtigkeit. (UV/AR)
Die Pressemitteilung zum Rat „Inneres und Justiz“ finden Sie hier.