Im Zusammenhang mit der Situation auf den Agrarmärkten hat die Europäische Kommission den Rat über die beiden kürzlich ergriffenen Maßnahmen informiert. Über die sogenannten Solidaritätskorridore, eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten, Transportunternehmen und Infrastrukturbetreibern in der EU und der Ukraine, soll der Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Ukraine auf dem Landweg verbessert werden. Mit der Sonderstützungsmaßnahme im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet werden, die Preissteigerungen bei den Betriebsmitteln auszugleichen.
Alle Mitgliedstaaten begrüßten den Aktionsplan der Kommission zu den „Solidaritätskorridoren“. Auch die Sondermaßnahme in Form eines Pauschalbetrages für Agrarbetriebe aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes wurde von den Mitgliedstaaten unterstützt. Viele sahen aber auch die Notwendigkeit für weitere Entlastungsmaßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), wie etwa zusätzliche Ausnahmen beim „Greening“ (förderfähige Flächen müssen gewisse Auflagen zur Landbewirtschaftung einhalten, die dem Klima-und Umweltschutz förderlich sind) oder bei den Konditionalitäten. Für Deutschland forderte Agrarminister Cem Özdemir, das Inkrafttreten der Auflage zum Fruchtwechsel auf Ackerland von 2023 auf 2024 zu verschieben. Ansonsten wies er aber darauf hin, dass die Ambitionen im Klimaschutz und zur Steigerung der Biodiversität nicht wegen des Ukrainekrieges vermindert werden dürften.
In diesem Zusammenhang unterrichtete die Kommission den Rat auch über die Lage des Landwirtschaftssektors in der Ukraine. Demnach dauere die diesjährige Aussaat der Ackerfrüchte noch an und laufe verhältnismäßig gut. Trotzdem müsse mit einem Ernterückgang von 20-30 Prozent gerechnet werden. Insgesamt sei die Marktlage in der EU relativ gut. Größtes Problem sei derzeit nicht die Ernährungssicherheit, sondern die Erschwinglichkeit von Lebensmitteln, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, und die Preise für Betriebsmittel (Energie, Dünger, Futtermittel usw.) in der Landwirtschaft.
Der Agrarrat fordert in den verabschiedeten Schlussfolgerungen die Entwicklung einer europäischen Impfstrategie gegen die Geflügelpest (Hochpathogene Aviäre Influenza). Sie soll neben den bisher angewandten Maßnahmen im Bereich der Kontrolle dazu beitragen, die Zahl erkrankter Vögel zu reduzieren und der präventiven Schlachtung gesunder Tiere vorzubeugen. Die Strategie soll im Einklang mit internationalen Handelsnormen stehen und nicht zu Ausfuhrbeschränkungen seitens der Handelspartner führen.
Im Vorfeld der für den 12.-16. Juni 2022 in Genf geplanten WTO-Konferenz ist der Rat von der Kommission über den Stand der Verhandlungen informiert worden. Demnach soll bei den Agrarverhandlungen die Ernährungssicherheit im Mittelpunkt stehen. Hierzu ist der Abschluss einer multinationalen Erklärung geplant, die auch Ausnahmen für Beschaffungsmaßnahmen zum Welternährungsprogramm enthalten soll. In der Diskussion wurde von den Mitgliedstaaten gefordert, das Modell der GAP abzusichern, insbesondere die Green Box-Beihilfen, also die Beihilfen, die mit den internationalen Standards vereinbar sind, und die Angleichung internationaler Lebensmittelstandards anzustreben.
Agrarminister Özdemir hat im Agrarrat die Nutzung von Torf in Blumenerden und als Kultursubstrat problematisiert und für einen ersten Meinungsaustausch die Frage aufgeworfen, wie der Torfeinsatz aus Klimaschutzgründen vermindert werden könne. Sowohl die anderen Mitgliedstaaten als auch die Kommission haben sich nicht eindeutig positioniert. Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat auf bereits bestehende Fördermaßnahmen zum Schutz von Mooren im Rahmen der GAP hingewiesen. Einige Mitgliedstaaten unterstützten die Überlegung einer gemeinsamen Torfminderungsstrategie. Andere äußerten sich kritisch wegen der großen Bedeutung des Torfes als Rohstoff für eine sichere Nahrungsmittelproduktion.
Auf slowakische Initiative hin diskutierte der Rat über die Zukunft des Bodenschutzes als Beitrag zum Green Deal. Hier hat Kommissar Wojciechowski auf das Resultat einer entsprechenden Konferenz hingewiesen, wonach es viel Unterstützung für die Entwicklung eines einheitlichen Rechtsrahmens gebe, wie von der Kommission für 2023 angekündigt. Deutschland hat dafür Unterstützung angekündigt.