Auf dem dritten Treffen dieser Art im Jahr 2022 wurden die Situation in der Ukraine sowie notwendige Unterstützungsmaßnahmen der EU besprochen. Dabei standen insbesondere die Themenbereiche Sanktionen, Finanzhilfen, Wiederaufbau, Ernährungssicherheit, Sicherheit und Verteidigung sowie Energieversorgung im Vordergrund. Zugeschaltet war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Zum Austausch über Ernährungsfragen am zweiten Gipfeltag war der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Macky Sall, zugeschaltet.
Der Europäische Rat verurteilte abermals die russische Invasion in die Ukraine und die von russischen Soldaten begangenen Gräueltaten. Die Staats- und Regierungschefs forderten Russland erneut auf, die Truppen und das militärische Gerät aus der Ukraine abzuziehen. Auch sei die Schaffung von Korridoren zur humanitären Hilfe, die Beachtung des humanitären Völkerrechts bei Gefangennahmen sowie die Rückführung von nach Russland verschleppten Ukrainerinnen und Ukrainern zu ermöglichen. Dabei gingen die Staats- und Regierungschefs auch auf die Untersuchungen zu möglichen Kriegsverbrechen der russischen Invasoren ein und sprachen den Ermittlern des Internationalen Strafgerichtshofs sowie der ukrainischen Generalanwältin ihre Unterstützung aus. Auch begrüßten sie den Einsatz von Eurojust in den Ermittlungen und die operative Unterstützung von Europol.
Im Zuge der Diskussionen zu einem sechsten Sanktionspaket sind die Führungsspitzen übereingekommen, Importverbote sowohl auf Rohöl als auch auf Mineralölerzeugnisse auszusprechen, die aus Russland in die Mitgliedstaaten geliefert werden. Für Rohöl, das über Pipelines geliefert wird, wird eine vorübergehende Ausnahme gelten. Der Rat wird nunmehr die technischen Details für ein solches Importverbot klären. Bislang konnte im Rat allerdings noch keine Einigung über ein sechstes Sanktionspaket erzielt werden (Stand: 2. Juni 2022).
In den Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine nimmt die Gewährung von Makrofinanzhilfen eine gewichtige Rolle ein. So begrüßte der Europäische Rat die von der Kommission bereits am 18. Mai 2022 vorgeschlagenen außerordentlichen und einmalige Makrofinanzhilfen in Höhe von bis zu 9 Milliarden Euro in Form von Darlehen zur Deckung des ukrainischen Liquiditätsbedarfs für das Jahr 2022. Diese Summe wird zusätzlich zu den bislang gewährten Finanzhilfen geleistet.
Für den Wiederaufbau der Ukraine stellen sich die Staats- und Regierungschefs eine gemeinsame Plattform von multinationalen Partner vor, die eine deutliche Unterstützung durch die EU erfahren soll. Auch sprachen sich die europäischen Führungsspitzen für eine enge Verknüpfung des Aufbauprozesses mit Bedingungen über die Mitgliedschaft der Ukraine in der EU aus. Dies beinhaltet vor allem die Durchführung von Reformen. Ebenfalls unterstützt der Europäische Rat die Prüfung, inwieweit eingefrorene russische Vermögenswerte für den Wiederaufbau verwendet werden können.
Zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigungsmaßnahmen begrüßten die europäischen Führungsspitzen die Ausweitung der Europäischen Friedensfazilität. In diesem Zusammenhang hatte der Rat am 23. Mai 2022 beschlossen, der Ukraine zur Territorialverteidigung und zum Schutz der Zivilbevölkerung 2 Milliarden Euro an finanziellen Mittel aus der Europäischen Friedensfazilität zur Verfügung zu stellen.
Der Europäische Rat ließ sich des Weiteren über den Stand der Stellungnahmen der Kommission zu den Anträgen auf EU-Mitgliedschaft der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien unterrichten und wird sich mit diesem Thema auf dem Europäischen Rat am 23. und 24. Juni 2022 weitergehend beschäftigen. Ebenfalls betonten die Staats- und Regierungschefs die notwendige Unterstützung der EU-Nachbarländer und erinnerten an die Situation der belarussischen Opposition.
Um die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ernährungssicherheitunter Kontrolle zu bringen, fordert der Europäische Rat Russland auf, Seeblockaden aufzulösen, die Ausfuhr von Lebensmitteln zuzulassen und die Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur in der Ukraine zu beenden. Auch verurteilte der Europäische Rat die Zerstörung sowie die rechtswidrige Aneignung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Dabei sind auch die Mitgliedstaaten gefordert, die Kommission in ihrer Arbeit zur Schaffung von Solidaritätskorridoren zu unterstützen, durch die alternative Transportrouten sowie zusätzliche Transportmöglichkeiten durch LKW, Züge und Schiffe geschaffen werden sollen. Hierzu wird die Kommission auch eine Logistikplattform einrichten, die ein koordiniertes Vorgehen erlauben soll. Zusätzlich sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, ebenfalls Kontaktstellen einzurichten. Zur Bewältigung dieser Krise sind aber auch internationale Partnerschaften und Unterstützungsprogramme/Allianzen erforderlich, deren Einsatz die europäischen Staats- und Regierungschefs unterstützen.
Der Europäische Rat sieht sich mit dem bereits im März 2022 gebilligten Strategischem Kompass auf dem richtigen Weg. Diese auf vier Säulen („Handeln“, „Investieren“, „Mit Partnern zusammenarbeiten“ und „Sichern“) beruhende Strategie soll die künftige Sicherheits-und Verteidigungspolitik maßgeblich determinieren. Der Strategische Kompass fordert die Umsetzung von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen sowie den Ausbau von Kapazitäten/Kompetenzen, so beispielsweise den Aufbau einer bis zu 5000-Mann starken Schnelleingreiftruppe, die Stärkung der Cyberabwehr oder die Zusammenarbeit in strategischen Partnerschaften. Die Staats- und Regierungschefs sprachen sich auch für die Prüfung gemeinsamer Beschaffungsprozesse aus sowie für die Unterstützung der industriellen und technologischen Basis.
Zur Sicherung der Energieversorgung wiesen die Staats- und Regierungschefs auf eine Diversifizierung der Versorgungsquellen und -wege hin. Auch seien Maßnahmen zur Begrenzung der Energiepreise zu prüfen.
Für den Ausbau und schnellen Einsatz von erneuerbaren Energien sprachen sich die Führungsspitzen ebenso aus wie für schnellere Genehmigungsverfahren. Ebenfalls informierte sich der Europäische Rat über den REPowerEU-Plan der Kommission. Dieser zielt auf eine starke Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen vor dem Jahr 2030 ab. Dabei forderten die Staats- und Regierungschefs den Rat auf, die Umsetzung der dort genannten Ziele zügig zu prüfen. Für den Europäischen Rat sind auch Fragen der Versorgungssicherheit von großer Bedeutung. Dabei fordert der Europäische Rat auch den Abschluss von Vereinbarungen und Notfallplänen ein, um im Falle einer Versorgungsunterbrechung eine Weiterversorgung mit Energieträgern zu gewährleisten, beispielsweise für die Aufrechterhaltung von Speicherkapazitäten.
Die Pressemitteilung finden Sie hier. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates dort. (AR)