| Justiz- und Innenrat

Treffen der Justiz- und Innenminister am 13. und 14. Oktober 2022

Am 13. und 14. Oktober 2022 kamen die europäischen Justiz- und Innenministerinnen und -minister zur turnusmäßigen Ratsformation in Luxemburg zusammen. Deutschland wurde durch Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesinnenministerin Nancy Faeser vertreten.
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Themen der Innenministerinnen und -minister waren u.a. die aktuellen Entwicklungen im Schengen-Raum, Ratsschlussfolgerungen zur integrierten europäischen Grenzverwaltung, die Zusammenarbeit zwischen Nordmazedonien und Frontex, der aktuelle Sachstand zu den Beratungen beim Asyl- und Migrationspakt, die Erweiterung des Schengen-Raums und Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine.

Nachdem die französische Ratspräsidentschaft in diesem Jahr das Format des Schengen-Rates als politisches Gremium für einen intensiveren Austausch über Fragen des gemeinsamen Schengen-Raums ins Leben rief, trafen sich die Ministerinnen und Minister der Schengen-Staaten zunächst vorab, um aktuelle Fragen in diesem Format zu erörtern. Geprägt war dieser Austausch durch aktuelle Entwicklungen bei der Migration. Insbesondere Fragen zur Instrumentalisierung von Geflüchteten, zur Registrierung an den Außengrenzen und zur Rückkehr wurden besprochen.

Im Anschluss an die Sitzung des Schengen-Rates wurde im bekannten Format weitergetagt und den Mitgliedstaaten der aktuelle Stand der Umsetzung des Asyl- und Migrationspaktes präsentiert. Der Schwerpunkt der Vorstellung lag auf der Implementierung eines dauerhaften Solidaritätsmechanismus, der eine gewisse Flexibilität in den Unterstützungsleistungen der Mitgliedstaaten beinhaltet und so zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen soll. Hinsichtlich des im September 2020 präsentierten Asyl- und Migrationspakets der Europäischen Kommission präferiert der Rat eine sequentielle Behandlung einzelner Dossiers, um zügig zu belastbaren Ergebnissen zu gelangen. Insoweit besteht derzeit ein Dissens mit dem Europäischen Parlament, das eine gemeinsame Behandlung der im Asyl- und Migrationspaket vorgesehenen Dossiers bevorzugt. Insgesamt umfasst das Paket fünf Verordnungs- und vier Richtlinienvorschläge. Im Vordergrund der politischen Diskussionen stehen insbes. die Screening-Verordnung (Prüfung an den Außengrenzen) und die Eurodac-Verordnung (Abgleich von Fingerabdrücken).

In den Schlussfolgerungen des Innenrates zu einem mehrjährigen strategischen Politikzyklus für die integrierte europäische Grenzverwaltung wird die Europäische Kommission (KOM) dazu aufgefordert, den aktuellen Problemkreisen, wie der Instrumentalisierung der Migration und hybriden Bedrohungen, dem Aufkommen neuer Schleusermethoden, Pandemien und bewaffneten Konflikten in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Ohne weitere Aussprache nahmen die Innenministerinnen und -minister einen Beschluss über die Unterzeichnung einer Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Frontex und Nordmazedonien beim Grenzmanagement an. Das Europäische Parlament (EP) muss diesem Beschluss noch zustimmen. Mit dieser Vereinbarung soll es Frontex möglich sein, Nordmazedonien bei der Bekämpfung von illegaler Einwanderung und Kriminalität vor Ort zu unterstützen.

Ein Austausch zum aktuellen Sachstand über die Erweiterung des Schengen-Raums stand ebenfalls auf der Tagesordnung des Ministerinnen- und Ministertreffens. Als weitere Beitrittskandidaten für den Schengen-Raum stehen Kroatien, Bulgarien und Rumänien bereit. Von diesen drei Staaten erfüllt Kroatien alle erforderlichen Voraussetzungen für die vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstandes. Dies wurde auf der Ratssitzung am 9. Dezember 2021 bestätigt und in einem Beschlussentwurf festgelegt. Im Zuge dieses Beschlussentwurfs wurde das EP im Juni 2022 konsultiert und dazu aufgefordert, eine Stellungnahme zum möglichen Beitritt Kroatiens abzugeben. Sobald das Parlament seine Position verabschiedet hat, ist eine abermalige Abstimmung im Rat über den Beitritt Kroatiens notwendig. Hierzu muss unter den Schengen-Staaten Einstimmigkeit erzielt werden. Im Anschluss an die Sitzung des Innenrates sprachen sich die Abgeordneten des EP am 18. Oktober 2022 dafür aus, Bulgarien und Rumänien unverzüglich den Weg in den Schengen-Raum zu ebnen. Diese beide Mitgliedstaaten erfüllten ebenfalls die Kriterien für einen Beitritt. Ein Ausschluss sei daher diskriminierend und hätte negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt.

Die Fachministerinnen und -minister tauschten sich auch über weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine aus. Dabei standen insbes. die Situation Geflüchteter in den Wintermonaten im Vordergrund sowie Gefahren der inneren Sicherheit mit Blick auf den Menschenhandel, den illegalen Waffenhandel und weitere schwere Verbrechen. Auch konnte sich der Rat auf eine Verlängerung der Regelungen der Massenzustrom-Richtlinie bis März 2024 sowie weitere Unterstützung ukrainischer Geflüchteter durch Bereitstellung finanzieller Mittel aus den Fonds der EU-Kohäsionspolitik einigen. Bislang wird der vorübergehende Schutz im Rahmen der genannten Richtlinie 4,3 Mio. Ukrainerinnen und Ukrainern gewährt. Dabei ist für die Ministerinnen und Minister ebenfalls wichtig, dass bei der Anwendung des Schutzstatus größtmögliche Flexibilität gegenüber ukrainischen Staatsbürgerinnen und -bürgern mit Blick auf Besuche in der Heimat und evtl. Rückkehr in die EU an den Tag gelegt wird.

Die Justizministerinnen und -minister haben sich mit dem aktuellen Sachstand zur Reform der Umweltkriminalitätsrichtlinie, der Verfolgung von Straftaten gegen das Völkerrecht in der Ukraine, der justiziellen Aus- und Fortbildung und der Tätigkeit der im letzten Jahr geschaffenen Europäischen Staatsanwaltschaft beschäftigt. Beschlüsse sind nicht gefasst worden.

Im Zusammenhang mit dem Vorschlag zur Reform der Umweltkriminalitätsrichtlinie hat die amtierende tschechische Präsidentschaft den Rat über die laufenden Verhandlungen in der Ratsarbeitsgruppe informiert. Mit dem vorliegenden Vorschlag der KOM sollen die bestehenden Rechtsvorschriften durch ehrgeizigere ersetzt werden, indem neue Straftaten definiert, Strafmaße detaillierter beschrieben und Maßnahmen für Personen eingeführt werden, die Straftaten melden. Im Juni 2022 hatte sich der Rat bereits auf die Definition der neuen Straftatbestände verständigt. Der zweite Teil der Richtlinie liegt aber noch in den Händen der Arbeitsgruppe zur justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Dort wurde eine Einigung über die Höchststrafen für natürliche Personen, die Umweltdelikte begehen, erzielt. Die Frage der Strafhöhe für juristische Personen ist aber unter den Mitgliedstaaten weiterhin umstritten. Die Kommission hatte hier vorgeschlagen, die Höhe der Geldbuße an den weltweiten Umsatz des Unternehmens zu koppeln, das einen Umweltverstoß begeht. Dieser Ansatz wurde von den Mitgliedstaaten unterstützt. Insbesondere Slowenien hat aber mehr Flexibilität bei der Festlegung der Beträge gefordert. Die tschechische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, für Dezember 2022 eine grundsätzliche Einigung des Rates ("allgemeine Ausrichtung") zu dem Dossier anzustreben.

Als aktuelle Entwicklung bei der Ermittlung von Kriegsverbrechen in der Ukraine hat die KOM mitgeteilt, dass Rumänien als siebtes Land an der gemeinsamen Ermittlungsgruppe zu internationalen Verbrechen in der Ukraine, die im März 2022 eingerichtet wurde, teilnimmt. Es schließt sich der Ukraine, Polen, Litauen, Estland, Lettland und der Slowakei an. Während der Aussprache hat der Präsident der EU-Agentur für strafrechtliche Zusammenarbeit (Eurojust), Ladislav Hamran, die Bedeutung dieser gemeinsamen Ermittlungsgruppe hervorgehoben. Bislang seien 20 nationale Ermittlungen in 14 Mitgliedstaaten eingeleitet worden. Allerdings sei dieser Ansatz zu fragmentiert. Nach dem Inkrafttreten der Eurojust-Verordnung im Mai 2022, arbeite die Agentur derzeit an der Umsetzung der Verordnung. Sie entwickelt derzeit ein spezielles Programm und eine Datenbank, die es der Agentur ermöglicht, Beweise für Kriegsverbrechen zu speichern und zu analysieren. Hamran appellierte an die Mitgliedstaaten, ihre Beweise mit Hilfe dieser vorhandenen Instrumente zu teilen.

In Bezug auf die europäische Fortbildungs- und Austauschmaßnahmen hat der Rat einen Gedankenaustausch über dessen Auswirkungen auf die Beachtung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit geführt. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung und die Rolle der Aus- und Fortbildung bei der Gewährleistung einer besseren Qualität der Justiz und bei der weiteren Stärkung ihrer Unabhängigkeit hervorgehoben. Justizkommissar Didier Reynders verwies auf die insgesamt 17,7 Mio. Euro, die von der EU für den Fortbildungsbereich zur Verfügung gestellt würden. Ferner wurde auf das Vorhandensein nationaler Ausbildungsmöglichkeiten und Austauschprogramme hingewiesen. Dabei lag der Schwerpunkt der Diskussion auf der Frage, wie ein hohes Maß an Beteiligung von Richterinnen und Richtern an Weiterbildungsmaßnahmen sichergestellt werden könne.

Darüber hinaus haben die KOM und die Europäische Generalstaatsanwältin, Laura Codruţa Kövesi, den Rat über die jüngsten Entwicklungen der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) informiert. Demnach hat die EUStA im ersten Jahr 929 Ermittlungen eingeleitet, 28 Anklagen erhoben, vier Verurteilungen sichergestellt und Sicherstellungsentscheidungen über 259 Mio. Euro erhalten. Im Rat wird derzeit an den Beziehungen der EUStA zu Drittländern und internationalen Organisationen gearbeitet. Darüber hinaus wird das Verfahren zur Ernennung von acht neuen Europäischen Staatsanwälten, die diejenigen ersetzen sollen, die ihre Tätigkeit im Juli 2023 beenden werden, vorbereitet. Von der KOM wurde auch die Frage angesprochen, ob das Mandats der EUStA auf die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Sanktionen ausgeweitet werden soll. Die KOM plant zur Handhabung von Sanktionsverstößen einen Richtlinienvorschlag vorzulegen. Während der Debatte wurde deutlich, dass dieses Thema eingehend geprüft werden müsse.

Die Pressemitteilung des Rates finden Sie hier. (AR/UV)

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