Nachdem die nominierten EU-Kommissare der Mitgliedstaaten Rumänien, Frankreich und Ungarn vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments abgelehnt worden waren, konnte nach erfolgter Nominierung der Alternativkandidaten am 14. November 2019 eine erneute Anhörung stattfinden.
Der ehemalige Atos-Chef Thierry Breton, der für Frankreich ins Rennen geschickt wurde, konnte das Parlament überzeugen. Rund zwei Drittel der Parlamentarier stimmten für ihn. Kritik musste sich der Kandidat für das Ressort Binnenmarkt, Verteidigung und Raumfahrt von der politischen Linken gefallen lassen. Es wird befürchtet, dass seine Manager-Tätigkeit in IT-Konzernen Interessenkonflikte hervorrufen könnte. Breton konterte diese Vorwürfe schon im Vorlauf der Anhörungen, indem er alle seine Atos-Aktien verkaufte sowie seine Funktionen im Unternehmen aufgab. Zudem stimmte er dem Vorschlag zu, dass jedes Treffen mit einem Vertreter seines ehemaligen Unternehmens unter Anwesenheit eines Beobachters stattfinden soll. Breton legte in seiner Rede einen inhaltlichen Schwerpunkt auf Technologie und Digitalisierung. Die Themen Raumfahrt und Verteidigung diskutierte er weniger intensiv. Erwähnenswert ist jedoch, dass er zuvor ein Weißbuch über die Einrichtung eines europäischen Verteidigungsfonds verfasste.
Der ungarische Diplomat Oliver Varhelyi wurde vorerst nicht bestätigt und muss weitere schriftliche Fragen beantworten sowie sich in einer zweiten Anhörung nochmals den kritischen Fragen des Parlaments stellen. Seit 2015 ist Varhelyi ungarischer Botschafter in Brüssel. In dieser Zeit lernten ihn viele Parlamentarier als treuen Verfechter der autoritären Orbán-Regierung kennen. So konnten auch seine Beteuerungen, dass er sich im Amt des Kommissars voll und ganz der EU-Linie verschreiben würde, nicht alle Parlamentarier überzeugen. Eine Frage lautete demnach, wie er in Beitrittsländern für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit eintreten könne, wenn gleichzeitig sein Heimatland diesem Grundsatz geringe Beachtung schenke.
Die Rumänin Adina-Ioana Valean konnte das Parlament von ihrer Tauglichkeit für das Ressort Verkehr überzeugen. Die Grünen äußerten zwar ihre Unzufriedenheit mit den Antworten zu Verbraucher- und Umweltschutz, konnten sich schließlich aber nicht durchsetzen mit der Forderung nach weiteren schriftlichen Fragen an die Kandidatin.
Zwei Briefe von der Leyens an die britische Regierung, in denen von der Leyen um eine Benennung eines britischen Kommissarskandidaten bittet, blieben bis dato erfolglos. Die Benennung eines Kandidaten könnte für Johnson nachteilig im derzeitigen Wahlkampf wirken, da sie Zweifel an seiner Entschlossenheit zu einem Brexit wecken könnte. Folglich äußerte die Regierung auch, dass es vor den britischen Neuwahlen am 12. Dezember 2019 keine Vorstellung eines neuen Kommissarskandidaten geben wird. Die amtierende EU-Kommission leitete daher am 14. November 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien ein, da Pflichten nicht eingehalten wurden. Johnson hat nun bis zum 22. November 2019 Zeit, sich dazu zu äußern.
Mit der Ablehnung des ungarischen Kandidaten sowie des ausbleibenden britischen Vorschlags bleibt weiter ungewiss, ob die designierte Kommissionspräsidentin von der Leyen ihren ehrgeizigen Zeitplan einhalten kann und mit ihrer neuen Kommission am 1. Dezember 2019 die Arbeit aufnehmen kann. (KL)