Im Vordergrund der Diskussion standen die europäische Initiative European Green Deal und das entsprechende Gesetzes-Vorhabenpaket „Fit für 55“ zur Umsetzung der Klimaziele. Beide Maßnahmenpakete haben intensive Auswirkungen auf das Handwerk. So wird die geplante Verdopplung der Renovierungsquote von Gebäuden zur energetischen Sanierung für den Handwerksbereich zu neuen Aufträgen, gleichzeitig aber auch zu mehr Bürokratie durch neue Rechtsvorschriften führen. Mittels Finanzmarktregeln sind unter dem Stichwort „Sustainable Finances“ Investitionen in nachhaltige Produkte und Verfahren zu fördern. Auch die Anpassungen von CO2-Grenzwerten bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden Handwerker als Unternehmer treffen.
Über die praktischen Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele debattierten nach einem Impulsvortrag von Kurt Krautscheid, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in Rheinland-Pfalz und Präsident der Handwerkskammer Koblenz, auf der Veranstaltung in Brüssel Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz, Tim Krögel, Leiter der Vertretung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks in Brüssel, und die rheinland-pfälzische Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Daniela Schmitt. In ihrer Begrüßungsrede betonte die Ministerin, dass das schnelle Angehen von Herausforderungen, wie beim Umgang mit der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021, in der Natur des Handwerks liege. Daher sei die Branche gut gewappnet für die zeitnahe Umsetzung der ambitionierten Klimaziele. Das Handwerk lebe den Green Deal im Kleinen bereits heute, auch wenn noch Herausforderungen wie Fachkräftegewinnung und bürokratische Hürden bewältigt werden müssten. Während Europa bis 2050 klimaneutral werden wolle, möchte Rheinland-Pfalz dieses Ziel bereits zwischen 2035 und 2040 erreicht haben, so Ministerin Schmitt.
Wo Handwerksbetriebe in Sachen Green Deal die großen Herausforderungen und Chancen bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sehen, erläuterte Eric Schaaf, Geschäftsführer von Die Tischlertekten GmbH & Co. KG aus Großmaischeid. Der Betrieb ist als klimaneutrales Unternehmen zertifiziert. Der Geschäftsführer stellte dar, wie Handwerksbetriebe indirekt von der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (die sogenannte „Corporate Sustainability Reporting Directive“) betroffen sein könnten.
Als Zuliefernde für zukünftig originär berichtspflichtige Unternehmen könnten die Auftraggeber auch von den Handwerksbetrieben entsprechende Nachhaltigkeitsnachweise einfordern, um ihren eigenen Berichtspflichten gerecht werden zu können.
Metzgermeistern Melanie Temmes, die Inhaberin der Metzgerei Gries, einem mehr als 100 Jahre alten traditionsreichen Familienbetrieb aus dem pfälzischen Waldmohr, betonte vor allem die große Bedeutung von lokalen Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum für die Nachhaltigkeit. So könnte dadurch Wirtschafts- und Arbeitskraft in der Region erhalten bleiben. Sie bemängelte allerdings, dass es vielfach an Wertschätzung für die Handwerkerbrache und die erbrachten Leistungen fehle.
Der Geschäftsführer der Zimmermann Bedachungen GmbH, Michael Zimmermann, erläuterte die konkreten Auswirkungen des Vorschlags zur Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden auf das Handwerk. Größtes Problem sei der – von allen Beteiligten kritisierte – Aufwand an Bürokratie, insbesondere die ständig wachsenden Berichtspflichten. (UV, JGr, JGa)