| Europäischer Rat

Virtuelles Gipfeltreffen

Am 25. März 2021 schalteten sich die Staats- und Regierungschefs für eine virtuelle Sitzung des Europäischen Rats gemeinsam mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen. Themenschwerpunkte des Treffens waren die Lieferung von Impfstoffen und mögliche Ausfuhrbeschränkungen aus der EU, der digitale Wandel und internationale Beziehungen.

„Toppriorität“, so Ratspräsident Charles Michel in der Pressekonferenz nach dem ersten Sitzungstag, war Covid-19. Vor dem Hintergrund des Berichts von Kommissionspräsidentin von der Leyen unternahmen die Staats- und Regierungschefs eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. In ihrer gemeinsamen Erklärung stellten sie fest, die Lage sei nach wie vor sehr ernst und die anhaltende der Einschränkung der Reisefreiheiten weiterhin notwendig. Sie betonten aber auch den gemeinsamen Willen, alles Notwendige in Angriff zu nehmen, um trotz der aktuellen Situation perspektivisch zu einer schrittweisen Lockerung der Beschränkungen kommen zu können. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Vorschlag der Kommission für den sogenannten Impfpass. Hieran werde man, so der Ratspräsident, in den nächsten Wochen verstärkt arbeiten.

Zu der Frage, die im Vorfeld des Gipfels zur größten Unruhe geführt hatte, dem insbesondere von Österreich geforderten „Ausgleichmechanismus“, konnte allerdings lediglich ein Formelkompromiss gefunden werden: Die Regierungsspitzen halten grundsätzlich an der Verteilung der Impfstofflieferungen nach Bevölkerungsanteil fest, lediglich für die von BioNTech für das zweite Quartal 2021 in Aussicht gestellten zusätzliche 10 Mio. Impfdosen sollen nun die EU-Chefdiplomaten im Ausschuss der Ständigen Vertreter eine Lösung „im Sinne der Solidarität“ finden.

Zur Frage der internationalen Solidarität hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen im Zusammenhang mit der Einführung der am Vortag verschärften Regelung zum Export von Impfstoffen unter anderem erklärt, dass seit Dezember 2020 rund
77 Mio. Dosen die EU verlassen hätten im Vergleich zu 88 Mio. Dosen, die in der EU ausgeliefert worden wären. Von den 77 Mio. exportierten Dosen seien rund 31 Mio. im Rahmen der COVAX-Initiative bereitgestellt worden, um die globale Versorgung mit Impfstoffen in ärmeren Ländern zu sichern.

Die Kommission hatte zur Erhöhung der Transparenz und besseren Kontrolle der Ausfuhr von Impfstoffen aus der EU im Januar 2021 einen Transparenz- und Genehmigungsmechanismus eingeführt. Am 24. März hatte die Kommission eine Weiterführung dieser Regelung einführt: Zukünftig soll nicht nur geprüft werden, ob ein Unternehmen, das Impfstoffe aus der EU importieren will, seine Lieferverpflichtung gegenüber der EU einhält, sondern auch, ob es in dem Land, für das die Exporte bestimmt sind, Beschränkungen der Ausfuhr von Impfstoffen oder deren Ausgangsstoffen gibt und wie die epidemiologische Lage, die Impfquote und die Impfstoffvorräte im Zielland einzuschätzen sind.

Insbesondere die Herstellung von Transparenz, aber auch die Genehmigungspflicht fanden, so spiegelt es auch die im Anschluss an den Gipfel veröffentlichte Erklärung, grundsätzlich Zustimmung bei den Staats- und Regierungschefs. Gleichzeitig betonen sie aber auch die Verantwortung der EU in der Welt. Bundeskanzlerin Merkel sagte diesbezüglich im Anschluss an den Gipfel: „Und die Europäische Union wird auch keinerlei Lieferungen an COVAX unterbinden, sondern sie wird jetzt schon auch bereit sein, COVAX zu stärken und auch zum Beispiel afrikanischen Ländern Impfstoffe zukommen zu lassen - zuzüglich zu dem was ganz legal und in Rahmen von Bezahlungen auch an außereuropäische Länder exportiert wird und auch nach Großbritannien natürlich“.

Am späten Abend war dann US-Präsident Joe Biden zu dem virtuellen Gipfeltreffen hinzugeschaltet. Es war, wie Ratspräsident Michel betonte, das erste Mal in elf Jahren, dass ein US-Präsident am Austausch der EU-Regierungsspitzen teilnahm. Zuletzt war es Barack Obama“. Michel betonte das starke Engagement der EU für die transatlantische Allianz, die gemeinsamen Themen, aber auch die gemeinsame Geschichte und Verantwortung der USA, von Europa und den Partnern für Stabilität und Demokratie. Auch Kommissionspräsidentin von der Leyen hob die Übereinstimmung in der Prioritätensetzung von US-Präsident und EU-Regierungsspitzen hervor: Wichtigstes Thema des Austausches sei die Bewältigung der Covid-19-Pandemie gewesen. Direkt danach jedoch hätten der Kampf gegen den Klimawandel, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Bedingungen für die Entwicklung von Spitzentechnologien und das Zusammenstehen der Demokratien zur Verteidigung von Menschenrechten und Menschenwürde gestanden. Auf das Ergebnis des Austauschs bezüglich des Exportes bzw. der Lieferungen hielt Kommissionspräsidentin von der Leyen fest, man habe ein starkes Interesse, gemeinsam zu arbeiten, damit die globalen Lieferketten weiter funktionieren. Auch, um gewappnet zu sein für zukünftige Pandemien in einem Zeitalter der Pandemien. Man wolle mit den USA eine neue globale Agenda entwickeln, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen.

Weitere Themen des Austauschs waren die Bedeutung eines starken und resilienten Binnenmarkts und des Gelingens der digitalen Transformation sowie die Außenbeziehungen der EU, und hier insbesondere auch das Verhältnis zur Türkei.

Die Staats- und Regierungschefs zeigten sich zufrieden mit dem Bericht, den die Kommission hierzu vorgelegt hatte. Sie erinnerten an die Notwendigkeit eines stabilen Mittelmeerraums aus strategischen Gründen und begrüßten die Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen Griechenland und der Türkei sowie die bevorstehenden Gespräche zu Zypern unter der Federführung der Vereinten Nationen. Der Rat forderte die Türkei jedoch auf, von weiteren Provokationen oder einseitigen Handlungen abzusehen. Gleichzeitig würdigte er, dass die Türkei 4 Mio. syrische Flüchtlinge aufgenommen hat und forderte abschließend den Hohen Vertreter auf, die Arbeiten an einer multilateralen Konferenz zum Östlichen Mittelmeerraum voranzutreiben.

Zum Thema Russland erklärte der Rat schließlich, dass man über die jüngsten Entwicklungen informiert worden sei und beschlossen habe, bei der nächsten Sitzung eine strategische Debatte zu Russland zu führen.

Die Bundeskanzlerin betonte im Nachgang zum Treffen, dass die „europäische Souveränität“ im Verhältnis zu China von besonderer Bedeutung sei. Es gebe mit den USA zwar viele Wertegemeinsamkeiten, aber eben keine gemeinsame Identität. Präsident Joe Biden wird im Juni 2021 zu einem NATO-Treffen in Brüssel erwartet und wird dann voraussichtlich die Beratungen mit den europäischen Staats- und Regierungschefs fortsetzen. (sch/MK)

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