Der Kompromiss beinhaltet Standards, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen, jedoch keine einheitlichen Mindestlöhne in den Mitgliedstaaten. Gemäß der Vereinbarung müssen sie prüfen, ob ihre bestehenden gesetzlichen Mindestlöhne geeignet sind, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten, wobei die eigenen sozioökonomischen Bedingungen, die Kaufkraft oder das langfristige nationale Produktivitätsniveau zu berücksichtigen sind. Für die Beurteilung der Angemessenheit können die EU-Länder international gebräuchliche Referenzwerte wie 60 Prozent des Medianeinkommens und 50 Prozent des Durchschnittseinkommens anwenden.
Die EU-Verhandlungsführer waren sich einig, dass die Mitgliedsstaaten die sektoralen und branchenübergreifenden Tarifverhandlungen als wesentlichen Faktor für den Schutz der Arbeitnehmer stärken müssen. EU-Länder, in denen weniger als 80 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag geschützt sind, müssen einen Aktionsplan aufstellen, um diesen Anteil schrittweise zu erhöhen. Um die beste Strategie für diesen Zweck zu entwickeln, sollten sie die Sozialpartner einbeziehen, die KOM über die beschlossenen Maßnahmen informieren und den Plan veröffentlichen.
„Seit Ausbruch der Pandemie und des Krieges in der Ukraine und gerade auch im Hinblick auf die damit im Zusammenhang stehende steigende Inflation freue ich mich, dass der Vorstoß für die Einführung fairer Mindestlöhne eine weitere Hürde genommen hat und man sich politisch auf einheitliche Standards für Mindestlöhne in der Europäischen Union geeinigt hat. Der Mindestlohn lässt vor allem unsere Arbeiterinnen und Arbeiter profitieren, die am meisten mit den steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben“, sagte der rheinland-pfälzische Arbeitsminister Alexander Schweitzer anlässlich seines heutigen Besuchs beim Europäischen Parlament in Straßburg. „Dies fällt zusammen mit der jetzt vom Deutschen Bundestag beschlossenen Erhöhung des deutschen Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde zum 1. Oktober 2022. Damit hat Deutschland bald einen der höchsten Mindestlöhne in der EU. „Es wird Zeit, dass wir auf europäischer Ebene Fortschritte zur Verbesserung des Lohnniveaus gerade in den unteren Einkommensbereichen erzielen und damit Millionen Menschen einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen", so Schweitzer weiter.
In der EU gibt es in 21 von 27 Ländern einen gesetzlichen Mindestlohn, während in den übrigen sechs Ländern (Österreich, Zypern, Dänemark, Finnland, Italien und Schweden) die Lohnhöhe durch Tarifverhandlungen festgelegt wird. Die monatlichen Mindestlöhne sind in der EU sehr unterschiedlich und reichen von 332 Euro in Bulgarien bis zu 2202 Euro in Luxemburg.
Die vorläufige politische Einigung, die das Verhandlungsteam des EP erzielt hat, muss nun zunächst vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und anschließend vom Plenum des EP gebilligt werden. Auch der Rat muss der Vereinbarung noch zustimmen. Dann haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu übertragen. (VS)