| Eurogruppe und Ecofin-Rat

Wirtschaftslage in der EU

EUROGRUPPE

Am 11. September 2020 trafen sich die Finanzminister der Eurozone, der so genannten Eurogruppe, erstmals wieder physisch auf Einladung durch des deutschen Bundesfinanzministers Olaf Scholz, in Berlin. Es handelte sich um die erste Sitzung unter Leitung des überraschend gewählten Vorsitzenden der Eurogruppe, Pascal Donohoe aus Irland. Die Hauptthemen waren die wirtschaftliche Entwicklung und die hiermit verknüpften fiskalpolitischen Maßnahmen sowie die Verhandlungen zur Bankenunion.

Die Ministerinnen und Minister tauschten sich über die aktuelle Wirtschaftslage der Eurozone und die politischen Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene aus und diskutierten über die unterschiedlichen Erfordernisse des Wiederaufbaus. Die Unterstützungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten in der Corona-Krise haben zu einer deutlich expansiven Fiskalpolitik geführt. Pascal Donohoe würdigte, dass nach dem konjunkturellen Tiefpunkt im April und Mai ab Juni ein deutlicher Aufschwung zu verzeichnen war. Die Eurogruppe setzt sich für eine koordinierende Haushaltspolitik innerhalb der Eurozone ein. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni (Italien) forderte eine Verlagerung von Notfallmaßnahmen hin zu fundamentalen Verbesserungen und warnte, dass die meisten europäischen Staaten auch Ende 2021 noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben werden. Aus seiner Sicht könne daher die Ausnahmeklausel im Stabilitäts- und Wachstumspakt für einzelne Länder temporär bestehen bleiben und nur dort zurückgenommen werden, wo die Wirtschaftskrise bereits überwunden sei.

 

Auf Basis eines technischen Vermerks der Kommission hatten die Ministerinnen und Minister eine Aussprache über die Faktoren der politischen Ökonomie, die die Einleitung von Reformen erleichtern und den effizienten Einsatz öffentlicher Mittel im Rahmen des Wiederaufbaus gewährleisten soll. Der Vermerk beleuchtet die Erfahrungen der Mitgliedstaaten bei durchgeführten Reformen und kommt zu dem Schluss, dass eine weitgehende Einbindung aller Beteiligter zum Erfolg und zur Akzeptanz von Reformen beitragen kann. Das Europäische Semester könne im Rahmen der europäischen Politikkoordinierung eine zentrale Rolle spielen.

Im inklusiven Format (Finanzminister EU-27 ohne Großbritannien) zog die Eurogruppe Bilanz zu den vier Arbeitssträngen (Europäisches Einlagensicherungssystem (EDIS), Finanzstabilität, Krisenbewältigung und verbesserte grenzüberschreitende Finanzmarktintegration) der Bankenunion. Ferner wurde die Reform des Vertrags über den Europäischen Stabilitätsmechanismus erörtert. Geplant ist die Einführung einer Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds bis 2023, eine mögliche frühere Einführung der Letztsicherung sowie die Bereitstellung von Liquidität im Abwicklungsfall.

https://www.consilium.europa.eu/de/meetings/eurogroup/2020/09/11/?utm_source=dsms-auto&utm_medium=email&utm_campaign=Eurogroup

https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/09/11/remarks-by-paschal-donohoe-following-the-eurogroup-meeting-of-11-september-2020/

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/SPEECH_20_1630

 

ECOFIN

Im Anschluss trafen sich die europäischen Wirtschafts- und Finanzminister unter Vorsitz des deutschen Finanzministers Olaf Scholz am 11. und 12. September 2020 zu einem informellen Ecofin-Treffen. Themen waren unter anderem ein Ausblick zur wirtschaftlichen Erholung Europas, Eigenmittel für den EU-Haushalt, eine faire und effektive Besteuerung sowie die Neuordnung der Finanzmärkte im digitalen Zeitalter. 

Zu Beginn tauschten sich die Ministerinnen und Minister bei einem Arbeitsessen zum Thema „Ein souveränes Europa nach dem Coronavirus“ mit ihrem Gast, dem Politologen Ivan Kastev vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien, aus. Es wurde betont, dass ein Zusammenarbeiten und Zusammenstehen Europas essenziell für die Stärkung der Europäischen Werte in der Welt sei.

Beim ersten Tagesordnungspunkt präsentierten der Direktor des Zentrums für Europäische Politik Studien (CEPS) in Brüssel, Daniel Gros, sowie die Professorin für Internationale Wirtschaft in Genf und Präsidentin des Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung in London, Beatrice Weder di Mauro, eine Analyse der wirtschaftlichen Lage Europas. Sie gaben neben einer Einschätzung der Situation auch einen Überblick über die globale Wirtschaft. Die weitere Entwicklung sei weiterhin von Unsicherheiten geprägt; neben der Pandemie kämen zusätzliche Erschwernisse wie internationale Handelsstreitigkeiten hinzu.

Mit Clemens Fuest, dem Präsidenten des ifo-Instituts und Professor am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Jean Pisani-Ferry, Professor für Wirtschaft bei „Sciences Po Paris“ und für Wirtschaft und öffentliches Management an der Hertie School of Governance Berlin, tauschten sich die Ministerinnen und Minister zu möglichen neuen Eigenmitteln für den EU-Haushalt aus. Der Europäische Rat hatte im Juli 2020 beschlossen, die Einnahmeseite des EU-Haushalts durch Einführung neuer Eigenmittel zu reformieren. In der Diskussion steht daher, dass künftig Einnahmen aus der Umsetzung europäischer Politiken dem EU-Haushalt zufließen und Ausgaben zur Finanzierung gemeinsamer europäischer Interessen, wie z.B. einem europäischen Grenzschutz, auf EU-Ebene verlagert werden sollen.

Auch das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ könnte mit neuen Eigenmitteln der EU schneller zurückbezahlt werden. Eine Plastikabgabe auf nichtverwerteten Plastikmüll könnte bereits ab 1. Januar 2021 eingeführt werden. Weitere EU-Eigenmittel, beispielsweise ein erweiterter europäischer Emissionshandel, eine CO2-Grenzausgleichsteuer, aber womöglich auch Digital- und Finanzmarktsteuern, sollen folgen. Die Kommission soll im 1. Halbjahr 2021 hierzu Vorschläge vorlegen.

Weiterhin tauschte sich der Ecofin zum Thema der fairen und effektiven Besteuerung in der EU aus. Diskutiert wurden die Einführung einer effektiven Mindestbesteuerung sowie eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft auf OECD-Ebene, die Überarbeitung des Mandats der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung), die Überarbeitung der Amtshilferichtlinie („DAC 7“) sowie die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Insbesondere Frankreich drängt auf eine rasche Einführung einer Digitalsteuer. Notfalls solle die EU im 1. Quartal 2021 einen eigenen Entwurf vorlegen, sofern keine Einigung auf OECD-Ebene erzielt werde.

Letzter Tagesordnungspunkt war die Neuordnung der Finanzmärkte im digitalen Zeitalter und insbesondere die Finanzmarktregulierung von Kryptowährungen sowie anderer digitalen Währungen. Die Kommission kündigte für Ende September 2020 Vorschläge für ein Digitalpaket an. Vor allem Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande fordern ein strenges Regelwerk für sogenannte Stablecoins wie beispielsweise den Facebookcoin Libra. Facebook möchte Libra an einen Währungskorb koppeln, um so Schwankungen der Kryptowährung einzudämmen. Nichtsdestotrotz begehren die genannten Mitgliedstaaten klare Auflagen, um Risiken wie Geldwäsche oder Betrug zu vermeiden. Auch der Verbraucherschutz ist den Ministerinnen und Ministern ein großes Anliegen. (CM)

https://www.eu2020.de/eu2020-de/aktuelles/artikel/ecofin-olaf-scholz-eu2020/2382910

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/SPEECH_20_1636

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