In einer Pressekonferenz am 10. September 2019 hat die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Vorschläge für die Mitglieder der neuen Kommission und die Verteilung der Ressorts vorgestellt (Hintergrundinformationen zu den Personalvorschlägen finden sich hier). Die vorgeschlagene Kommission muss jedoch noch in Gänze vom Europäischen Parlament bestätigt werden.
In von der Leyens Kommission wird es künftig acht Vize-Präsidenten geben. Drei von ihnen werden als leitende Vize-Präsidenten eine Doppelfunktion einnehmen um die Kernthemen- und ziele effektiv zu verfolgen: Frans Timmermans (NL) wird für die Politiken im Rahmen des European Green Deals verantwortlich sein und die Generaldirektion Klimapolitik (DG Clima) leiten. Margrethe Vestager (DK) wird das Ziel der Digitalisierung verfolgen und zeitgleich ihre jetzige Position als Wettbewerbskommissarin weiterführen. Als dritter leitender Vize-Präsident fungiert Valdis Dombrovskis (LV), der die Maßnahmen im Bereich Wirtschaft im Dienste der Menschen koordiniert und das Ressort Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion leiten wird.
Die weiteren fünf Vize-Präsidenten sind Josep Borrell (ES) als Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Věra Jourová (CZ) im neu geschaffenen Direktorat Werte und Transparenz, Margaritis Schinas (GR) als Kommissar im Bereich Schützen, was Europa ausmacht, Maroš Šefčovič (SK) als Verantwortlicher für interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau und Dubravka Šuica (HR) als Kommissarin für Demokratie und Demographie. Die Kroatin wird außerdem die Arbeiten für die Konferenz zur Zukunft Europas leiten.
Die weiteren designierten Kommissionsmitglieder sind Johannes Hahn (AT) für das Ressort Haushalt und Verwaltung und Didier Reynders (BE) für das Gebiet Justiz. Der Belgier wird mithin auch für das Thema Rechtsstaatlichkeit verantwortlich sein.
Mariya Gabriel (BG) soll das Ressort Innovation und Jugend übernehmen, zu dem auch der Kulturbereich gehört. Sollte die Medienpolitik dem Kulturbereich zugeordnet werden, verbleibt dieses für Rheinland-Pfalz wichtige Thema bei Mariya Gabriel. Ggf. könnte es auch in die Zuständigkeit der Französin Sylvie Goulard (FR) fallen, die ebenfalls wichtige Aufgaben übernehmen wird: Zum einen ist sie vorgesehen als Kommissarin für den Binnenmarkt und wird daher in Bezug auf den digitalen Binnenmarkt auch eng mit Vestager zusammenarbeiten. Zum anderen wird Goulard auch die Leitung des neu eingeführten Ressorts Verteidigungsindustrie und Raumfahrt übernehmen. Dabei soll sie von der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (DG Connect) unterstützt werden, zu der bisher auch die Medienpolitik gehört.
Stella Kyriakides (CY) wird aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in diesem Bereich Kommissarin für Gesundheit. Das Generaldirektion Energie geht an die Estin Kadri Simson (EE). Jutta Urpiainen (FI) wurde ebenfalls in der Anfangsrede von der Leyens explizit erwähnt. Ihre bisherigen Tätigkeiten qualifizieren sie für das Ressort Internationale Partnerschaften. Der ungarische Kandidat László Trócsányi (HU) wird die Direktion Nachbarschaft und Erweiterung übernehmen. Der bisherige Kommissar für Landwirtschaft Phil Hogan (IE) wird die Leitung des Ressorts Handel übernehmen. Er wäre dann auch für die Aushandlung eines Handelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit zuständig.
Wie von der italienischen Regierung gewünscht, geht der Bereich Wirtschaft an Paolo Gentiloni (IT).
Virginijus Sinkevičius (LT) ist von von der Leyen als künftiger Kommissar für Umwelt und Ozeane vorgesehen, Nicola Schmit (LU) für das Ressort Arbeitsplätze. Das Thema Gleichstellung bleibt in den Händen einer Frau und wird ein eigenständiges Ressort. Die Malteserin Helena Dalli (MT), die auch schon in ihrem Heimatland in diesem Bereich tätig war, übernimmt die Leitung. Wie zu erwarten, übernimmt Janusz Wojciechowski (PL) das Direktorium Landwirtschaft. Elisa Ferreira (PT) aus Portugal wird für den Bereich Kohäsion und Reformen übernehmen. Das Ressort Verkehr wird an die Rumänin Rovana Plumb (RO) gehen, Janez Lenarčič (SL) wird Kommissar für Krisenmanagement. Ylva Johansson (SE) wird auf Grund ihrer Erfahrung in den Bereichen Beschäftigung, Integration, Gesundheit und Soziales das Ressort Inneres übernehmen.
Von der Leyen hat zudem angekündigt, dass auch das Vereinigte Königreich eine Kommissarin oder einen Kommissar vorschlagen muss, falls es am 1. November 2019 immer noch EU-Mitglied ist.
Auch für die Arbeit der Kommission wurden konkrete Ziele formuliert. So sollen alle Kommissare in den ersten sechs Monaten jeden Mitgliedstaat bereisen, um alle EU-Länder kennenzulernen. Die Sitzungen werden digital und papierfrei sein und auch Bürokratie soll abgebaut werden. So soll die Regelung eingeführt werden, dass für jede neu erlassene gesetzliche Regelung eine bestehende Vorschrift aufgehoben wird.
Die Präsentation der künftigen Kommission sowie des Ressortzuschnitts stieß auf unterschiedliche Reaktionen. Sollte die Kommission wie vorgeschlagen vom EP bestätigt werden, hätte von der Leyen auf jeden Fall ihr Ziel einer vom Geschlecht her ausgewogenen Kommission erreicht. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass das EP noch Veränderungen herbeiführen wird. Insbesondere die Kandidaten aus Ungarn, Polen und Rumänien dürften auf Vorbehalte stoßen.
Die Schaffung einer neuen Generaldirektion „Unterstützung für Strukturreformen“ zeigt, dass die neue Kommission einen besonderen Fokus auf Wirtschaftsreformen legt.
Auch die Vielzahl an Vizepräsidenten spricht nicht unbedingt für von der Leyens Bestreben nach einer „flexiblen, modernen und agilen Kommission“. Auch die kreative und wenig intuitive Beschreibung einiger Ressorts ist umstritten. So wird die Brisanz des Themas Migration beispielsweise etwas abgemildert, da es unter „Schützen was Europa ausmacht“ und nicht mehr direkt im Namen auftaucht (zuvor DG Migration und Inneres). Ob dies jedoch für mehr Transparenz und größeres Verständnis in der Bevölkerung führt, ist fraglich. (KH/CS/JB/CM/TS/jbs)